(2011) Kritische Überlegungen zum Stand der Zusatzversorgung



Kurzfassung

Trotz vieler Verweise auf Literaturstellen ist die Langfassung der Überlegungen für eine schnelle Information über den Stand der Zusatzversorgungsrente im öffentlichen Dienst (öD) viel zu lang geworden. Daher werden im Folgenden die wichtigsten Punkte kurz zusammengestellt und diskutiert.
  1. Die Zahlung der Zusatzrente im öD beruht auf dem Arbeitsvertrag des Beschäftigten mit den öffentlichen Arbeitgebern (öA) und sollte daher bei diesen eingeklagt werden können, z.B. auf Schadensersatz bei zu niedriger VBL-Rente.
  2. Die öA haben mit der VBL ein Vertragsverhältnis, nach dem die VBL die Rentenzahlung übernimmt. Das Vertragsverhältnis beruht auf einem Tarifvertrag zwischen öA und Gewerkschaften, der in die VBL-Satzung eingegangen ist.
  3. Die Beschäftigten haben kein Vertragsverhältnis mit der VBL und können diese eigentlich nicht verklagen. Die ordentlichen Gerichte haben aber dennoch Klagen gegen die VBL angenommen und damit das Vertragsverhältnis praktisch bestätigt.
  4. Erst mit Rentenbeginn beginnt offiziell ein Rechtsverhältnis zwischen den Betroffenen und der VBL.
  5. Die Tarifpartner haben in der BRD Deutschland weitgehende Freiheit. Daher sind nur gegen Willkür der VBL (und der Tarifpartner) gerichtliche Billigkeits- und Inhaltskontrollen zulässig. Die Messlatte für Klagen liegt sehr hoch. Ihre Höhe ist unbestimmt. Nur wenige Klagen hatten bisher Erfolg. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Tariffreiheit sogar höher als das Grundgesetz angesiedelt ist.
  6. Mit zunehmender Freiheit der Tarifpartner steigt auch deren Verpflichtung, Dritten keinen Schaden zuzufügen. Sonst können die Tarifpartner auf Schadensersatz belangt werden.
  7. Im europäischen Rahmen unterliegt die Tariffreiheit den Beschränkungen durch die europäische Menschenrechtskonvention. Rückwirkungsverbot, Eigentumsschutz und Diskriminierungsverbot genießen dort hohes Ansehen.
  8. Mit Wirkung vom 01.01.2002 hat die VBL ihr Rentenberechnungssystem, gestützt auf einen Tarifvertrag, geändert. Das bisherige System (pensionsähnliche Gesamtversorgung) wurde durch eine über Punkte zu ermittelnde Betriebsrente ersetzt. Das Rückwirkungsverbot verbietet, die Systemänderung auf die vor dem 01.01.2002 eingestellte Mitarbeiter zu beziehen.
  9. Die Berechtigung der Systemänderung wurde begründet mit der Tariffreiheit, mit § 14 der VBL-Satzung, mit § 18 des betrieblichen Altersversorgungsgesetzes (BetrAVG) und mit Ausklammerung der VBL aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.03.1999. Alle vier Bestimmungen verstoßen gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und gegen das Diskriminierungsverbot (öffentliche Angestellte - Beamte - freie Wirtschaft) der europäischen Menschenrechtskonvention und sind daher nichtig.
  10. Die Betriebsrente im Punktemodell ist seit dem 01.01.2002 mit erheblichen Nachteilen für die Rentner des öDs gegenüber dem Gesamtversorgungssystem verbunden. Während für die Altrentner die Rente aus Gründen des Vertrauensschutzes beibehalten und nur die Anpassung gekürzt wurde, hat die VBL die bisher bis zum 31.12.2001 erdienten Anwartschaften nur in Form von verminderten Startgutschriften berücksichtigt.
  11. Die Startgutschriften berücksichtigen die erdienten Anwartschaften nur teilweise und führen besonders bei sogenannten rentenfernen Jahrgängen und bei Alleinstehenden (Frauen) zu massiven Renteneinbrüchen (siehe Forderungskatalog des VSZ). Die Kürzungen waren von den Tarifpartnern aus Ersparnisgründen beabsichtigt.
  12. Die Rentenkürzungen nach den Positionen 10 und 11 verstoßen eklatant gegen die Gleichbehandlung von Angestellten und Beamten und gegen den Vertrauensschutz der Betroffenen (Rückwirkungsverbot). Diese haben nämlich den Arbeitsvertrag u.a. wegen der zugesagten pensionsähnlichen Altersversorgung unterschrieben bzw. später deswegen z.T. lukrative privatwirtschaftliche Angebote ausgeschlagen.
  13. Die Gerichte haben zwar konkret bezifferte Rentenansprüche als grundgesetzlich geschützt anerkannt, nicht jedoch Ansprüche aus Anwartschaften. Teilweise wurden zwar die Ansprüche, nicht aber das Berechnungsverfahren und damit nicht die Höhe der Ansprüche anerkannt.
  14. Mit dieser Spitzfindigkeit und absurden Praxis könnte ebenso gut die gesamte Zusatzrente für Neurentner gestrichen werden. Die Bürger sind empört über diese Rechtsprechung und sehen darin einen Angriff auf den Rechtsstaat.
  15. Der Bundesgerichtshof hat am 14.11.2007 die Startgutschrift für rentenferne Jahrgänge abschließend gekippt, jedoch nur aus einem (in den Klagen nicht einmal vorgebrachten) Grund, und mit der Zurückverweisung des Problems an die Tarifpartner Veranlassung für unabsehbare Prozessketten geschaffen (keine konkrete Neuregelung, kein faires Verfahren, keine angemessene Bearbeitungsfrist).
Es bleibt zu hoffen, dass die europäische Gerichtsbarkeit den deutschen Gerichten nicht folgt. Daher sollte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angerufen werden: Darüber hinaus müssen im nationalen Bereich Milderungen auf dem Rechtsweg und durch Verhandlungen mit den Tarifpartnern und mit Vertretern der Politik angestrebt werden.

Stand vom 31.12.2010


Langfassung

In den letzten Jahrzehnten unterlag die Zusatzversorgungsrente der VBL und anderer Zusatzversorgungskassen einer Reihe von Veränderungen, für die Betroffenen vorwiegend negativer Art. Die meisten Änderungen wurden durch Gerichte bestätigt. Es ist nun an der Zeit, dass die Betroffenen aus den Entscheidungen lernen und ihre Strategien entsprechend ausrichten. Es sollten auch Ungereimtheiten, Widersprüchlichkeiten, trickreiche Umgehungen bei Entscheidungen sowie für den Bürger unverständliche Entscheidungen herausgestellt werden. Hierzu werden im Folgenden zunächst die gesammelten Fakten aufgezeigt. Anschließend werden hieraus abgeleitete Bewertungen und Folgerungen diskutiert. Schließlich wird überlegt, was zur Korrektur getan werden kann. Siehe auch www.startgutschriften-arge.de.

1. Fakten

1.01 In einem Rechtsstaat können erdiente und mit Beiträgen erworbene Ansprüche nicht untergehen, es sei denn, ihre Erfüllung ist unmöglich. In der Bundesrepublik Deutschland werden die Ansprüche durch den Eigentumsschutz des Grundgesetzes geschützt, in Europa durch die Europäische Menschenrechtskonvention.

1.02 Die Ansprüche können sich auch auf einen späteren Zeitpunkt beziehen. Sie müssen auch nicht jederzeit expliziert in einer konkreten Höhe ausweisbar sein (z.B. bei Aktien, Lebensversicherungen).

1.03 Die Ansprüche auf eine Versorgungsrente im öffentlichen Dienst basieren auf dem Arbeitsvertrag, den die Mitarbeiter mit den öffentlichen Arbeitgebern (öA) abgeschlossen haben.

1.04 Die Berechnungsart und die Höhe der Versorgungsrente wurden und werden im Arbeitsvertrag nicht explizit festgelegt. Zum Teil wurden nur Beitragszuschüsse erwähnt, nicht jedoch Art und Name der Versicherung, obwohl es sich um eine Zwangs- und Gruppenversicherung handelte.

1.05 Die öA haben mittels Tarifvertrag die VBL mit der Abwicklung der Versorgungsrente beauftragt. Auch die VBL hat die Höhe der Versorgungsrente nicht explizit festgelegt, jedoch existierte bei der Einstellung jedes Mitarbeiters ein konkretes Verfahren (VBL-Satzung, beamtenähnliche Versorgung) für die Höhe der Versorgung im Rentenfall. Auf die Anwendung dieses Verfahrens konnte der neu eingestellte Mitarbeiter auch bei seinem eigenen späteren Rentenfall vertrauen.

1.06 Die VBL zahlte bis einschließlich 2001 den verrenteten Mitarbeitern eine Zusatzversorgungsrente, durch die sich die Gesamtversorgung (gesetzliche Rente plus Zusatzversorgungsrente, in Höhe und Anpassung (§ 56 VBL-Satzung) an den Beamtenpensionen orientierte.

1.07 Ab 01.01.2002 ersetzte die VBL, gestützt auf einen Tarifvertrag, die auf der Gesamtversorgung basierende Versorgungsrente durch eine mit Punkten ermittelte Betriebsrente. Hierbei berief sie sich auf § 14 ihrer Satzung (VBLS), der einseitige Satzungsänderungen zulässt, und auf das betriebliche Altersversorgungsgesetz (BetrAVG, § 18). Außerdem habe die VBL nur die Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern umgesetzt.

1.08 Anwartschaften aus der alten Versorgungsrente werden nach den neuen Bestimmungen der VBLS in Form einer Startgutschrift in die Betriebsrente überführt. Bei den Anwartschaften wird zwischen Bestandsrentnern, rentennahen und rentenfernen Jahrgängen unterschieden.

1.09 Die Betriebsrente ist in fast allen Fällen deutlich niedriger als die Versorgungsrente. Die Kürzung ist von den Tarifpartnern beabsichtigt. Die Verluste bei alleinstehenden rentenfernen Jahrgängen sind besonders gravierend. Die Beanstandungen gegenüber der Versorgungsrente findet man unter dem Link "Forderungskatalog des VSZ".

1.10 Wegen der Rentenverluste wurden zahlreiche Gerichtsverfahren angestrengt, die letztlich die Verluste nicht beseitigten. Die Gerichte haben u.a. festgestellt:

  1. dass die VBL zur Systemumstellung berechtigt ist,
  2. dass Änderungen der VBLS nach § 14 zulässig sind,
  3. dass Rentenanwärter nicht im Vertrag mit der VBL stehen und daher nur mittelbar betroffen sind,
  4. dass die Tarifpartner weit reichende Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Verträge besitzen,
  5. dass Verluste an VBL-Rente bei der Systemumstellung hinzunehmen sind,
  6. dass die Zahlungsfähigkeit der VBL aufrecht erhalten bleiben muss,
  7. dass einige Gerichte erdiente Ansprüche nicht als vom Grundgesetz geschütztes Eigentum anerkennen; dass andere Gerichte Ansprüche zwar als geschützt ansehen, nicht aber das zugehörige Berechnungsverfahren und damit nicht die Höhe der Ansprüche. Mit beiden Auffassungen haben die Gerichte die Klagen von Betroffenen auf Zahlung und Anpassung von Renten in Höhe der alten VBL-Satzung abgewiesen.

1.11 Die VBL-Satzung gilt als allgemeine Geschäftsbedingungen.

1.12 Rentenanwärter werden erst mit Rentenbezug Vertragspartner der VBL. (siehe BGH vom 20.04.1988, Az IVa ZR 136/87...).

1.13 Nur gegen Willkür der VBL sind gerichtliche Billigkeits- und Inhaltskontrollen der VBLS möglich. (siehe BGH wie 1.12).

1.14 Die VBL ist aus der Gültigkeit folgender Gesetze bzw Gerichtsurteile zum Teil explizit ausgenommen:

1.15 Bei Gerichtsurteilen, bei denen Regelungen der VBLS als mit dem Grundgesetz unvereinbar festgestellt wurden, wurde nur für die Zukunft eine Neuregelung verlangt. Die beanstandeten Regelungen wurden nicht für die Vergangenheit außer Kraft gesetzt. (Z. B. Bundesverfassungsgericht vom 15.07.1998, Az BVR 1554/98...).

1.16 Am 22.03.2000 verlangte das Bundesverfassungsgericht (Az 1 BvR 1136/96) die Anpassung der VBL-Mindestversorgungsrente, aber bei der Betriebsrente der VBL wurde die bisherige Mindestversorgungsrente ganz abgeschafft und die Startgutschrift nicht angepasst.

1.17 Für die meisten Rentner wurden einige Voraussetzungen für die Ermittlung der Gesamtversorgung in den Jahren nach ihrer Einstellung in den öD durch Gesetze oder Urteile nachträglich geändert:


2. Bewertungen und Folgerungen

Zu 1.01: Die Erfüllung der erworbenen Rentenansprüche ist möglich. Die VBL hat in den letzten Jahren nach Rechenschaftsberichten ihr Vermögen beträchtlich erhöhen können und dabei sogar einen Teil ihrer Anlagen zu niedrig bewertet. Manche Versicherungsträger (z.B. die Emder ZVK) können die laufenden Rentenzahlungen leicht aus ihren Zinseinkünften bestreiten.

Darüber hinaus garantieren die öffentlichen Arbeitgeber (öA) für die Liquidität der VBL. Die VBL fungiert als Erfüllungsgehilfe der öA. Die öA als Auftraggeber müssen auch ohne Liquiditätszusage für ihren Erfüllungsgehilfen haften.

Zu 1.02 bis 1.06: Die öA argumentieren, dass in den Arbeitsverträgen keine konkrete Rente zugesichert worden sei. Dieses ist jedoch bei Ansprüchen, die erst Jahrzehnte später fällig werden, wegen inflatorischer und anderer Einflüsse nicht sinnvoll. Die Beschäftigten konnten daher bei ihrer Einstellung auf die zu diesem Zeitpunkt allgemein angewandte Berechnungsmethode (Satzung der VBL) vertrauen, die eine den Beamtenpensionen entsprechende Gesamtversorgungsrente einschließlich ausreichender Anpassung (§ 56 VBL-Satzung) ergab. Ein erheblicher Teil der Beschäftigten hat die pensionsähnliche Zusatzversorgungsrente auch in Zeiten der Hochkonjunktur als Grund für den Abschluss des Arbeitsvertrages oder für den Verbleib im öffentlichen Dienst angesehen. Der Vertrauensschutz und die Fürsorgepflicht der öA für ihre Beschäftigten, aber auch die Gleichstellung mit den Beamten, gebieten es, dass die öA sich auch nach 2001 an eine pensionsähnliche Versorgung halten.

Wenn die öA die Aufnahme der Rentenberechnungs- und Anpassungsmethode in den Arbeitsvertrag vorsätzlich unterlassen haben, um später u.U. nur eine geringere Rente zahlen zu müssen, so ist dieses Verhalten als eine arglistige Täuschung der Beschäftigten zu bewerten und daher treuwidrig, verwerflich und unzulässig. Daher können sich die öA nicht auf das Fehlen konkreter Rentenzusagen im Arbeitsvertrag berufen.

Zu 1.03, 1.10g und 1.12, 1.13: Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für eine gerichtliche Geltendmachung von Rechtsansprüchen ist das Datum des Rentenbeginns.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Beschäftigte nur Vertragspartner der öA und hat keine Ansprüche gegen die VBL. Die VBL legt ihre späteren Leistungen aufgrund ihrer Satzung fest, die auf Tarifverträgen beruht. Dabei haben die Tarifpartner weitgehende Freiheit. Eine Willkür der Tarifpartner und der VBL kann nur mit gerichtlichen Billigkeits- und Inhaltskontrollen beanstandet werden.

Die bei den öA Beschäftigten sind aber nicht rechtlos. Ihre Rechte beruhen auf dem Arbeitsvertrag. Erhalten sie während ihrer Tätigkeit von der VBL als Erfüllungsgehilfen der öA vorgeblich verbindliche Angaben (z.B. über Startgutschriften), so können diese beanstandet werden wegen Verletzung des Arbeitsvertrags (Punkte 1.03 bis 1.05) sowie wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht der öA und wegen Ungleichbehandlung gegenüber den Beamten (Schadenersatzpflicht) (siehe auch Hessisches Landesarbeitsgericht vom 03.03.2010, Az. 8 Sa 187/09). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2007, eine Startgutschrift wegen nur eines (in der Klage nicht einmal vorgebrachten) Grundes für unverbindlich zu erklären, ist nicht hilfreich, sondern mögliche Ursache für endlose Prozessketten. Sie diente allerdings dem Bundesverfassungsgericht (Az 1 BvR 1373/08 vom 29.03.2010) als Vorlage zur Abweisung der Beschwerde gegen dieses BGH-Urteil.

Dem Inhalt des vorstehenden Absatzes widerspricht die auch bei den Startgutschriften anerkannte Praxis, die VBL bei den ordentlichen Gerichten zu verklagen. Hiermit wird stillschweigend ein Vertragsverhältnis der VBL mit den Beschäftigten schon vor der Verrentung anerkannt. Dann müssen den Betroffenen aber auch nicht nur Billigkeits- und Inhaltskontrollen zugestanden werden, sondern sie müssen alle Rechte besitzen, wie sie im folgenden Absatz für die vor dem Stichtag 01.01.2002 Verrenteten dargelegt sind.

Durch Eintritt des Rentenfalls wird die VBL automatisch Vertragspartner des (ehemaligen) Beschäftigten und kann gerichtlich belangt werden. Bei den Entscheidungen zur Betriebsrente erkennen einige Gerichte bereits erdiente Ansprüche nicht als geschütztes Eigentum an, andere Gerichte unterscheiden zwischen den Ansprüchen als solche, die unter dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes stehen, und den Berechnungsverfahren bzw der Höhe und der Anpassung der Ansprüche, die tarifvertraglichen Änderungen unterliegen. Dabei ist ein Eigentumsschutz des Berechnungsverfahrens nicht erforderlich, wenn die ermittelte Rentenhöhe und die Anpassung für den Betroffenen als Mindeststandard angesehen werden.

Die Gerichte stellen aber offenbar die Tariffreiheit über den Eigentumsschutz des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die den Tarifpartnern derartige Sonderrechte nicht einräumt (Rückwirkungsverbot). Auf den Finanzmarkt angewandt würden beide Entscheidungen den Geldverkehr zum Erliegen bringen, denn kein Gläubiger könnte Geld investieren, wenn er für die Rückzahlung keinen Eigentumsanspruch geltend machen kann oder wenn der Schuldner den Rückzahlungsmodus nach Belieben ändern könnte. Beide Entscheidungen erscheinen politisch motiviert. Der Bürger kann sie nicht verstehen. Nach seiner Auffassung sollten alle Betroffenen mit Altverträgen (bis 31.12.2001) ihre Rente in Höhe und Anpassung nach der alten VBL-Satzung erhalten.

Aber auch bei Beibehaltung der nahezu unbegrenzten Tariffreiheit können die Ansprüche der Betroffenen mit Altverträgen bezüglich Höhe und Anpassung der Rente nicht geschmälert werden. Mit der Freiheit der Tarifpartner steigt nämlich auch deren Verpflichtung. Wenn sie mit einem Tarifvertrag die Rechte der Betroffenen verletzt haben, so machen sie sich damit schadensersatzpflichtig. So können sie, insbesondere die öA, für die Differenz wegen Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Die Missachtung der rechtmäßig erdienten Ansprüche der Rentner im öffentlichen Dienst (öD) ist für den Bürger unverständlich.

Zu 1.07 bis 1.09: Sicherlich können die Tarifpartner und damit die VBL für ab dem Stichtag (01.01.2002) neu eingestellte Beschäftigte ihre Rentenzusage ändern (auch ohne § 14 VBLS), und die VBL ist dann daran gebunden. Dies ändert jedoch nichts an den Verpflichtungen der öA aus den Arbeitsverträgen mit bereits vorher eingestellten Beschäftigen.

Aber auch aus Gleichheitsgründen mit vergleichbaren Beamten und wegen ihrer Fürsorgepflicht für die Angestellten sind die öA verpflichtet, fortgesetzt für eine Altersversorgung zu sorgen, wie sie bis zum 31.12.2001 erfolgt ist. Dies ist ab 01.01.2002 in keiner Weise geschehen. Da die Absenkung der Renten und ihre mangelnde Anpassung vorsätzlich herbeigeführt wurden, empfinden die Beschäftigten die Absenkung als Betrug.

Wenn die erdienten Ansprüche ohnehin 1:1 in das neue System überführt werden müssen, ist eine Unterscheidung zwischen rentennahen und rentenfernen Jahrgängen sowie eine Startgutschrift sinnlos und überflüssig und verstößt erneut gegen den Gleichheitsgrundsatz (Diskriminierungsverbot).

Zu 1.07: Das BetrAVG ist ein Rahmengesetz, das für die Versorgung Mindeststandards bieten soll, die beliebig überschritten werden dürfen. In § 18 werden jedoch Details ausschließlich für den öD festgelegt, die identisch mit dem entsprechenden Tarifvertrag sind. Dies ist bereits eine Diskriminierung der Angestellten im öD. Im Falle einer tarifvertraglichen Abweichung entsteht hier ein Konfliktpotential, weil die vom Grundgesetz, Art 9, garantierte Tariffreiheit eingeschränkt würde. Nach Grundgesetz wäre dann § 18 nichtig.

Der angeführte § 14 der VBLS betrifft zwei Felder: Einmal die Arbeitsorganisation innerhalb der VBL, zum anderen ihre Leistungen. Das zweite Feld sollte nicht in der Satzung, sondern in einer Art Tarif verankert sein. Damit verbietet sich eine nachträgliche Kürzung von Leistungen ohne Zustimmung der Betroffenen von selbst.

Zu 1.09: Als ein Argument für die Leistungskürzung bei der Zusatzversorgung wird ein Ausgleich zwischen Jung und Alt ins Feld geführt. Dabei wird vergessen, dass:

Zu 1.10 b: Änderungen der VBLS sind nach Abschluss von Tarifverträgen auch ohne § 14 VBLS zulässig, soweit sie sich nicht auf vor dem Änderungszeitpunkt bei den öA eingestellte Beschäftigte beziehen. Nachträgliche einseitige Änderungen von vorher gültigen Vertragsverhältnissen sind in der Privatwirtschaft als Verstoß wider die guten Sitten abgeschafft (siehe BGH IV ZR 218/97 vom 17.03.1999).

Zu 1.10 e: Es gibt nach Auffassung der Bürger keinen vernünftigen Grund, aus dem Verluste bei bestehenden, aus versteuerten und sozialversicherten Einzahlungen erworbenen Versorgungsansprüchen hinzunehmen wären. Vielmehr wäre hierzu das Einverständnis jedes einzelnen Beschäftigten einzuholen oder die öA müssten Zusatzausgaben hinnehmen.

Zu 1.10 f: Es ist nicht Aufgabe der Versicherten, für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der VBL zu sorgen. Hierfür sind allein die öA zuständig. Siehe auch oben unter "Zu 1.01".

Zu 1.14: Die Herausnahme der VBL aus Gesetzen und Urteilen, die für die Privatwirtschaft Gültigkeit haben, stellt schwerwiegende Gleichheitsverstöße für die Betroffenen dar und gehört aufgehoben.

Zu 1.15: Es ist erstaunlich, dass als nicht rechtens festgestellte Regelungen nur für die Zukunft, nicht jedoch für die Vergangenheit außer Kraft gesetzt werden. Gilt denn das Grundgesetz nur für die Zukunft?

Zu 1.16: Bei der Frage der Anpassung widersprechen sich die Gerichte.

Zu 1.17: Hierzu ist nach dem Zweck der 18. (01.01.1982) und 19. Satzungsänderung (01.01.1985) zu fragen. Sie dienten nämlich der Abschaffung der so genannten und immer noch umstrittenen Überversorgung der Rentner im öffentlichen Dienst, insbesondere auch gegenüber den Pensionären. Die Überversorgung wurde damals durch Einführung der Gesamtversorgung und Reduktion des Rentenanspruchs auf maximal 91,75% des ruhegehaltfähigen Nettoentgelts beseitigt, was der Absenkung der Gesamtversorgungs-Obergrenze auf 45 – 60% des Bruttoentgelts entspricht.

Voraussetzung war damals, dass die Renten im Gegensatz zu den Pensionen praktisch steuerfrei waren. Die steuerliche Ungleichbehandlung mit den Pensionen wurde aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und durch ein Bundesgesetz mit Wirkung vom 01.01.2005 beseitigt.

Eine zweite Voraussetzung war die Höhe der vom Rentner zu leistenden Versicherungsbeiträge. Die Rentner mussten von ihrer Rente nur 50% der Kranken- (und Pflege-) Versicherungsbeiträge bezahlen. Diese Regelung wurde aber per Bundesgesetz mit Wirkung vom 01.04.2004 aufgehoben. Zum Vergleich: 1982 KV-Beitrag nur 2%, 2011 schon 15,5% des Bruttoeinkommens).

Beiden Regelungen müssen ab Wirkungsdatum zu Neuberechnungen des gesamtversorgungsfähigen Nettoentgelts führen.


Zusammengefasste Ergebnisse von Kapitel 2


3. Was ist zu tun

Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR):

Im Falle positiver Feststellungen durch den EGMR müssten praktisch alle nach dem 31.12.2001 ergangenen Regelungen entsprechend geändert werden. Im Falle von Zurückweisungen aus formalen Gründen müssten die Ursachen beseitigt und die Verfahren vor dem EGMR neu geführt werden.

Im Falle voller oder teilweiser Zurückweisungen aus sachlichen Gründen müsste weiterhin versucht werden, im nationalen Bereich Lösungen zu finden.

Stand vom 31.12.2010