Urteile der Bundesgerichte

(2008) Bestätigung des OLG-Urteils durch den BGH am 14.11.2007 (Az: IV ZR 74/06)

Die auf den 31.12.2001 bezogene Startgutschrift für rentenferne Jahrgänge ist nach Ansicht des BGH nicht verbindlich. Der BGH hat das Ergebnis aber abweichend begründet: Es werden nämlich bestimmte Personengruppen (Personen mit langer Berufsausbildung, Zeitsoldaten etc) durch die Berechnung benachteiligt und können die maximale Versorgung nicht mehr erreichen.

Da diese Begründung zur Bestätigung des OLG-Urteils ausreichte, brauchte der BGH zu den übrigen Beanstandungen des OLG nicht Stellung zu beziehen.

Die Tarifpartner müssen nun ein neues Tarifrecht aushandeln, das mit der obigen Begründung konform geht. Ob sie auch auf die übrigen Beanstandungen des OLG eingehen, bleibt ihnen überlassen. Das neu ausgehandelte Tarifrecht kann dann wieder auf dem Rechtsweg beanstandet werden. Die Beanstandung des Näherungsverfahrens hätte am ehesten Aussicht auf Erfolg.

Das BGH-Urteil ist rechtskräftig.

Unser Kommentar: Hier hat es sich der BGH leicht gemacht und den schwarzen Peter den Tarifparteien zugeschoben. Die Ungerechtigkeiten bei der Ermittlung der Startgutschriften wie Näherungsverfahren anstelle konkreter Berechnung, die fehlende Dynamisierung und die absurde Stichtagsregelung anstelle der tatsächlichen Daten bei der Steuerklasse wurden nicht beseitigt. Die Entscheidung wurde um viele Jahre verschoben.

(2009) BGH-Urteile v. 03.12.08 zu Startgutschriften für Schwerbehinderte (IV ZR104/06 und IV ZR 148/08)

Schwerbeschädigte der Jahrgänge 1947 bis 1949 waren am 31.12.2001 noch nicht 55 Jahre alt. Sie erhalten jedoch Startgutschriften wie rentennahe Jahrgänge, wenn sie die Anspruchsvorschriften für Schwerbeschädigte bei der gesetzlichen Rente erfüllen, insbesondere eine Wartezeit von 35 Jahren. Der BGH hat rechtskräftig entschieden, dass hierfür schon allein die Möglichkeit der Erfüllung der 35 Jahre (z.B. durch Nachzahlungsmöglichkeit) ausreichend ist.

(2010) Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen

Das Bundesverfassungsgericht (Az 1 BvR 1373/08 und 1 BvR 1433/08) hat am 29.03.2010 die Verfassungsbeschwerden gegen die Gültigkeit der Startgutschriften bei rentenfernen Jahrgängen nicht zur Entscheidung angenommen, sondern zurückgewiesen, weil diese Startgutschriften bereits vom Bundesgerichtshof für unwirksam erklärt wurden. Dabei ist das BVerfG - wie auch der BGH - nicht auf die einzelnen Beanstandungen eingegangen. Es hat jedoch erneut auf die hohe Regelungsfreiheit der Tarifpartner hingewiesen.

Die Originaltexte können aus dem Internet herunter geladen werden. Pressemitteilung vom 15.04.2010, Volltext Urteil vom 29.03.2010, Az 1 BvR 1373/08 und 1 BvR1433/08

Kommentar: Das BVerfG hat sich - auf juristisch einwandfreie Weise - vor einer Stellungnahme zu den Beanstandungen gedrückt. Die Betroffenen können nun für jede Beanstandung erneut den Klageweg beschreiten mit entsprechendem Zeit- und Geldaufwand. Dabei könnte der BGH erneut eine von den Betroffenen nicht beanstandete Tatsache aufgreifen und die Startgutschriften wieder für unwirksam erklären. So beginnt der unbefriedigende Kreislauf von vorn.

Fakt ist folgendes: Die Betroffenen haben bei der Systemänderung der Zusatzversorgung durch die beanstandeten Regelungen empfindliche Verluste erlitten, und zwar nicht nur durch die Änderungen ab dem Stichtag (01.01.2002, sondern auch rückwirkend ab ihrer Einstellung im öffentlichen Dienst. Solche Änderungen hat die deutsche Rechtsprechung bisher abgelehnt. Im Privatrecht hat der BGH in seinem Urteil vom 17.03.1999 (Az IV ZR 218/97) Änderungen der Bedingungen bestehender Vertragsverhältnisse zum Nachteil von Versicherten ausdrücklich abgelehnt. Änderungen seien nur für Neuverträge ab der Änderung zulässig. Und im Strafrecht kann nur das zum Zeitpunkt der Tat geltende Recht angewendet werden.

Fazit: Erworbene Ansprüche können (außer bei Insolvenz) nicht untergehen. Wenn die Tarifpartner wegen ihrer Vertragsfreiheit von den Betroffenen erworbene Ansprüche im Tarifvertrag unterbügeln dürfen, ist zu prüfen, ob sich die Ansprüche dann gegen die Tarifpartner richten können.