Finanzaspekte

Nach schockierenden Berichten über Tarifverhandlungen bezüglich einer neuen Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, beispielsweise im Handelsblatt vom 29.10.2001, haben sich die Tarifpartner am 13.11.2001 über eine neue Zusatzrente geeinigt. Das Ergebnis ist auf dieser Webseite dargestellt. Im folgenden wird über Presseberichte, Irrtümer, Rechenschaftsberichte und Vertrauensschutz in Zusammenhang mit den Tarifverhandlungen berichtet. Alle Zahlen in DM. 1 Euro = 1,95583 DM.

Ein Ruin der VBL steht mit Sicherheit nicht bevor. Wie aus der beigefügten Tabelle 1 (Auszug aus VBL-Rechenschaftsberichten) hervorgeht, besaß die VBL Ende 1999 ein Vermögen von über 13 Milliarden DM, in welches das Grundstücksvermögen massiv unterbewertet eingegangen ist. Von 1991 bis 2000 lagen die Leistungen im Jahresdurchschnitt nur 50 Mio DM über den Einnahmen, und in den Jahren 1999 und 2000 wurde sogar ein Überschuß der Einnahmen über die Leistungen von zusammen 1,7 Mrd DM erzielt. Allerdings hat das VBL-Vermögen von 1991 bis 1999 um 3,3 Mrd DM abgenommen, d.h. im Jahresdurchschnitt um 340 Mio DM. Wenn die sonstigen Ausgaben der VBL (Jahresschnitt 290 Mio DM) nicht unverhältnismäßig hoch wären, wäre ihr Vermögen erheblich höher. Ein Ruin der VBL ist auch deshalb unmöglich, weil der Bund die Zahlungsfähigkeit der VBL verbürgt.

Die Rücklagen der VBL betragen gut das Doppelte der Jahresleistungen. Kommunale Versorgungskammern, die nach dem gleichen Leistungstarif zahlen, verfügen über erheblich höhere Rücklagen, teilweise bis zu 11 Jahresausgaben. Der Grund liegt in deren höheren Einzahlungen in den letzten beiden Jahrzehnten, insbesondere in den Jahren 74 bis 89, in denen die Arbeitgeberumlage des Bundes und der Länder nur 4% betrug (s. Tabelle 2). Dieses war durch ständig steigende Personaleinstellungen möglich, die der VBL bei etwa gleichbleibenden Leistungen mehr Umlagepflichtige brachten. Die 4% waren jedoch kurzsichtig. Derzeit nehmen nämlich die Leistungsempfänger zu und die Umlagepflichtigen ab. Es wurden sogar ganze Betriebe aus der VBL ausgegliedert, und bei weiteren Organisationen wird die Ausgliederung diskutiert. Diese Trends gefährden ein Umlagesystem massiv, und die öffentlichen Arbeitgeber müssen die Kosten für ihre unrichtige Politik übernehmen.

Anstatt die Arbeitgeber von der Notwendigkeit erheblich höherer Umlagen zu überzeugen, hat die VBL stets mit Erfolg versucht, bei den Renten zu sparen. Zunächst wurde durch die 14. Satzungsänderung (1977) das Umlageverfahren eingeführt und der Kapitaldeckungsstock der Rentner verbraten. Beim großen Umbruch der 18. und 19. Satzungsänderung (1982 bzw 1985) wurden die Versorgungsrenten um teilweise 30 bis 50% gekürzt mit dem Argument, die Rentner seien überversorgt. Durch die 25. Satzungsänderung (1992) wurde die anrechenbare Zeit zum Erreichen des höchsten Prozentsatzes (91,75%) von 35 auf 40 Jahre gestreckt, was sich längerfristig für die VBL als erhebliches Einsparungspotential auswirken wird. Die 37. Satzungsänderung (Jahr 2000) bestraft die Rentner durch Einführung einer Reihe von Spitzfindigkeiten mit Einbußen von teilweise mehreren 100 DM monatlich. Jede Erhöhung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge trifft die Rentner doppelt: Zum einen müssen die Rentner die Beiträge real bezahlen, zum anderen werden sie bei der Ermittlung der Gesamtversorgung vom Bruttoeinkommen abgezogen. Zusammen mit einer nicht ausreichenden Dynamisierung hat die VBL von 1985 bis 2000 die Kaufkraft der Renten um etwa 30% abgesenkt. Das Niveau der Versorgung wurde von ursprünglich 75% häufig auf weniger als 50% des Bruttogehalts verringert. Alleinstehende, Geschiedene und vor der Verrentung Verwitwete sind besonders hart betroffen. Der Anteil der Mindestversorgungsrenten an der Gesamtzahl der Versorgungsrenten hat massiv zugenommen.

In besonderes eklatanten Fällen hat das Bundesverfassungsgericht bereits zugunsten der Rentner entschieden: Die Mindestversorgung muß dynamisiert werden. Die außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Rentenanwartschaften müssen korrekt in die Gesamtversorgung einbezogen werden. Teilzeitbeschäftigung muß korrekt berücksichtig werden.

Eine weitere Reduktion der VBL-Renten würde den Vertrauensschutz verletzen und einen zunehmenden Teil der Rentner des öffentlichen Dienstes unter die Armutsgrenze bringen. Die VBL hat schließlich während des gesamten Arbeitslebens der Rentner Beiträge und Umlagen eingenommen. Die Rentner haben häufig im Vertrauen auf die Altersversorgung lukrative Positionen in der Privatwirtschaft ausgeschlagen. Nach Beendigung ihres Arbeitslebens haben sie keine Möglichkeit mehr, sich ein weiteres Standbein für ihre Altersversorgung zu schaffen. Weitere Kürzungen ihrer Rente stellen eine Enteignung dar, die nicht nur im deutschen, sondern auch im europäischen Recht unzulässig ist und bei keiner Privatversicherung akzeptiert würde. Bei der konjunkturbedingten Zunahme der Arbeitslosenzahlen ist kein Politiker auf die Idee gekommen, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu kürzen. Bei der durch Strukturänderungen der Arbeitgeber verursachten, d.h. verschuldeten, Mittelknappheit der VBL kommen die öffentlichen Arbeitgeber nicht auf die Idee, die vorher eingesparten Umlagemilliarden nun zuzuschießen.

Tabelle 1: Aus den Geschäftsberichten der VBL (Daten stark gerundet)

  Rentenanzahl am Jahresende VBL-Vermögen am Jahresende Einnahmen Leistungen
1991 0,71 Mio 15,8 Mrd DM 4,6 Mrd DM 4,9 Mrd DM
1992 0,72 Mio 15,3 Mrd DM 4,8 Mrd DM 5,1 Mrd DM
1993 0,74 Mio 14,8 Mrd DM 4,9 Mrd DM 5,2 Mrd DM
1994 0,76 Mio 14,2 Mrd DM 4,7 Mrd DM 5,0 Mrd DM
1995 0,78 Mio 14,9 Mrd DM (?) 5,0 Mrd DM 5,1 Mrd DM
1996 0,80 Mio 14,4 Mrd DM 4,9 Mrd DM 4,5 Mrd DM
1997 0,83 Mio 13,5 Mrd DM 5,1 Mrd DM 5,7 Mrd DM
1998 0,86 Mio 12,5 Mrd DM 5,2 Mrd DM 5,9 Mrd DM
1999 0,90 Mio 13,5 Mrd DM 7,3 Mrd DM 6,4 Mrd DM
2000 0,93 Mio 7,3 Mrd Euro 3,9 Mrd Euro 3,5 Mrd Euro
2001 0,96 Mio 7,0 Mrd Euro 3,7 Mrd Euro 4,0 Mrd Euro
2002 0,99 Mio 7,5 Mrd Euro 4,6 Mrd Euro 4,1 Mrd Euro
2003 1,01 Mio 9,3 Mrd Euro 4,9 Mrd Euro 4,1 Mrd Euro
2004 1,04 Mio 10,9 Mrd Euro 4,8 Mrd Euro 4,2 Mrd Euro

Tabelle 2: Beiträge und Umlagen für die VBL

Zeitraum Arbeitnehmer Arbeitgeber Summe
Bis 31.12.1966 2,3% 4,6% 6,9%
Ab 01.01.1967 1,5% 4,0% 5,5%
Ab 01.01.1972 1,5% 3,5% 5,0%
Ab 01.06.1972 0,75% 4,25% 5,0%
Ab 01.07.1972 0,75% 3,75% 4,5%
Ab 01.07.1973 0 4,5% 4,5%
Ab 01.01.1974 0 4,0% 4,0%
Ab 01.01.1990 0 4,5% 4,5%
Ab 01.01.1995 0 4,8% 4,8%
Ab 01.01.1998 0 5,2% 5,2%
Ab 01.01.1999 1,25% 6,45% 7,7%
Ab 01.01.2002 1,41% 6.45 + bis zu 2% 7,86 + bis zu 2%

Wirtschaftliche Entwicklung der VBL 2002 bis 2004

Entgegen der allgemeinen Meinung ist die finanzielle Lage der VBL gut. Die Einnahmen übersteigen die Ausgaben, und es findet ein erheblicher Vermögensaufbau statt, wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist. Beim Vermögen der VBL sind noch Gewinne durch realistischere Bewertung des Grundvermögens hinzuzuzählen, ebenso Einnahmen aus Gegenwertzahlungen von Arbeitgebern, die ihre Beteiligung bei der VBL gekündigt oder beendet hatten, allein im Jahre 2004 rund 1 Milliarde Euro. Zum 31.12.2003 schieden 36 Arbeitgeber der VBL aus und mit ihnen 30.400 Pflichtversicherte. Im Jahr 2004 schieden infolge von Kündigungen der VBL-Beteiligung durch die Arbeitgeber allerdings nur 6.175 Arbeitnehmer aus. Die Zahlen sind Gesamtdaten und in den Abrechnungsverbänden West und Ost unterschiedlich.

Im Gegensatz zu üblichen Annahmen stieg die Zahl der Rentenneuzugänge im Abrechnungsverband West nicht, sondern sank zwischen 2000 und 2004 erheblich. So wurden insgesamt im Abrechnungsverband West im Jahre 2000 47.499 Beschäftigte verrentet. Diese Zahl blieb im Jahre 2001 in etwa gleich mit 47.518 Beschäftigten, sank jedoch 2002 auf 38.383. Sie erholte sich im Jahre 2003 nur leicht auf 40.040 Neuverrentungsfälle und im Jahre 2004 auf 41.289 Neuverrentungsfälle im Abrechnungsverband West.

Die demografische Entwicklung ist also zur Zeit nicht zu spüren. Vielmehr sind die durch Arbeitgeber bedingten Kündigungen, die Rationalisierungsmaßnahmen (z.B. Berlin-West) und die Auflösung von Behörden und Ministerien (Bundeswehr, Zivilschutz, Krankenhäuser) für die jetzige Umlagesituation der VBL viel ausschlaggebender. Die jeweiligen Jahrgangsstärken an Beschäftigten, die jetzt zur Verrentung anstehen, sind noch unproblematisch. So umfasst im Abrechnungsverband West der Geburtsjahrgang 1948 37.000 Beschäftigte und der Geburtsjahrgang 1949 40.000 Beschäftigte.

Diese Zahlen nehmen dann allerdings zu und erreichen mit den Jahrgängen 1959 bis 1964, also im dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts, jeweils Jahrgangsstärken von 47.000 bis 48.000 Mitarbeiter, so dass der Schwerpunkt der zukünftigen Verrentungsfälle ab 2022 auftreten wird. Diese Welle wird jedoch wesentlich dadurch aufgefangen, dass das Eintrittsalter für die Regelaltersrente für Frauen vom 60. auf das 65. Lebensjahr heraufgesetzt wurde und generell auf das 67. Lebensjahr heraufgesetzt werden soll. Hierdurch verlängert sich die Einzahlungsphase erheblich, und die Rentenlaufzeit fällt wieder auf den Stand von 1967 zurück (bei längerer Einzahlungsphase, höheren Gehältern und höherer Produktivität).

Kommentar: Es hat bis heute kein realer Anlaß bestanden, das bis Ende 2001 gültige Gesamtversorgungssystem abzuschaffen und durch die Betriebsrente zu ersetzen. Vielmehr lässt die Vermögenssituation den Schluß zu, daß die VBL auf Kosten der Versicherten teilweise eine Annäherung an die Deckungsstockrente anstrebt. Dies deutet die VBL in ihrem Jahresbericht 2004 auch an.

(2013) Rentenkürzungen trotz voller Kassen

Nachdem nun die VBL alle Zuschlagsmitteilungen versandt hat, steht fest:

Nur rund 7,5 Prozent der rentenfernen Pflichtversicherten im Tarifgebiet West der VBL haben einen Zuschlag auf ihre bisherige Startgutschrift erhalten. Die durch die Neuregelung der rentenfernen Startgutschriften entstehende Mehrbelastung der VBL wird im Jahr 2012 nur bei 0,1% der laufenden Versorgungsausgaben liegen und bis zum Jahr 2017 durch den Renteneintritt von weiteren ehemals rentenfernen Pflichtversicherten auf maximal 0,5% der jährlichen Versorgungsausgaben steigen.

Diesen Verbesserungen für eine kleine Gruppe von Rentenfernen stehen jedoch deutliche Verschlechterungen insbesondere für die jüngeren Geburtsjahrgänge durch die beabsichtigte Senkung des Leistungsniveaus in der Punkterente gegenüber. Bereits im Tarifgespräch vom 09.08.2012 hat der verantwortliche Aktuar der VBL die Senkung des Rechnungszinses sowie die Anpassung der bisherigen Heubeck-Richttabelle von 1998 an die längere Lebenserwartung entsprechend der VBL-spezifischen Generationentafel VBL 2010 G gefordert.

Eine Verschlechterung der bisherigen beitragsorientierten Leistungszusage ist im seit 01.01.2002 bestehenden Punktemodell nur durch einen Änderungsvertrag zum Altersvorsorgetarifvertrag (ATV) vom 01.03.2002 möglich. Dabei steht die Kürzung der Altersfaktoren nach § 8 Abs. 3 ATV im Vordergrund, wie dies auch in §  14 Abs. 4 der VBL-Satzung vorgesehen ist.

Die vollen Kassen im Tarifgebiet West der VBL bieten allerdings nicht den geringsten Anlass, um das Leistungsniveau in der Punkterente wie geplant zu senken. Die Minderbelastungen durch die geplante Kürzung der Punkterente würden ein Vielfaches der geringen Mehrbelastung durch die Neuregelung der Startgutschriften für rentenferne Pflichtversicherte (ab Jahrgang 1947) ausmachen. Eine Rentenkürzung trotz voller Kassen verbietet sich eigentlich von selbst.

Sowohl die Rückschau auf die Jahre von 2002 bis 2010 als auch die Vorschau auf die Jahre bis 2017 zeigen, dass die finanzielle Lage der VBL bei der umlagefinanzierten Zusatzversorgung im Tarifgebiet West ausgezeichnet ist. Der erste Deckungsabschnitt endete zum 31.12.2007, der zweite wird in gut einem Monat zum 31.12.2012 enden. In einer Studie wird daher zunächst die finanzielle Lage der VBL West in den beiden Deckungsabschnitten von 2002 bis 2012 beleuchtet. Anschließend wird ein kurzer Ausblick gegeben auf den kommenden Deckungsabschnitt von 2013 bis 2017.

Ergänzend wird hingewiesen auf die Dokumentation „80 Jahre Zusatzversorgung der VBL“ – Zahlen, Daten und Fakten von 1970 bis 2050“ sowie auf Kurzfassungen von zwei weiteren aktuellen Studien („Systemfehler und Rechtsfragen zur Neuregelung der Startgutschriften“ und „Die Zukunft der Betriebsrente im öffentlichen Dienst“), die erst kürzlich erschienen sind. Die Veröffentlichungen sind neben anderen aufgeführt in www.startgutschriften-arge.de.

F. F. und W. S., 26.11.2012